Kalibrierwissen
Was ist Kalibrierung?
Bei der Kalibrierung / Kalibration in der Messtechnik wird zuverlässig und reproduzierbar festgestellt und dokumentiert wie groß die Abweichung eines Messgerätes zu einem Normal ist.
Messmittelüberwachung, Kalibrierung und Rückführbarkeit sind zentrale Themen der meisten Qualitätssicherungssysteme.
Warum kalibrieren?
In modernen Fertigungsprozessen ergibt sich immer häufiger die Anforderung, die Umgebungsbedingungen während des Fertigungsprozesses genau zu überwachen und gegebenenfalls innerhalb einer Bandbreite zu regeln. Typisch für solche Anforderungen sind z.B. Halbleiterproduktionen oder Fertigungen in der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie. Auch bei industriellen Fertigungsprozessen (z.B. Trocknungsprozessen) ergibt sich häufig die Notwendigkeit die Umgebungsbedingungen während des Prozesses genau zu überwachen. Als „Umgebungsbedingungen“ verstand man früher meist die Umgebungstemperatur, in zunehmendem Maße muss aber auch die Umgebungs- oder Prozessfeuchte (z.B. relative Feuchte) überwacht und geregelt werden.
Wenn nun Größen wie die Temperatur oder relative Luftfeuchte einen Einfluss auf Fertigungsprozesse ausüben (wenn nicht, wäre eine Überwachung reiner Luxus), ergibt sich sofort die Anforderung einer periodischen dokumentierten Kalibrierung der entsprechenden Messgeräte im Zuge eines Messmittelüberwachungssystems. Für die Kalibrierung der Temperaturmessgenauigkeit gibt es etablierte Verfahren und am Markt eine Reihe von Geräten (Temperaturkalibratoren), mittels derer eine Kalibrierung von Temperaturmessgeräten erfolgen kann.
Anders stellt sich die Situation bei der Kalibrierung der Messgröße „relative Feuchte“ oder allgemein der Gasfeuchte dar. Einerseits sind die realisierbaren Messunsicherheiten wesentlich größer, als man sie intuitiv im Vergleich mit Temperaturmessunsicherheiten erwarten würde, andererseits sind die Möglichkeiten zur Feuchtekalibrierung in der Handhabung wesentlich kritischer oder sie liefern oft nicht die erwartete Genauigkeit.
Ablauf einer Kalibrierung
Nach Anlieferung der zu überprüfenden Messgeräte erfolgt eine Eingangskalibrierung gemäß den Kundenvorgaben laut Begleitschein. Die Messwerte bei Anlieferung werden in einem Zertifikat dokumentiert.
Bei Angabe entsprechender Toleranzen wird auf Wunsch im Zuge der Erstkalibrierung ein Vergleich mit den Vorgabetoleranzen durchgeführt.
Liegt das Messmittel außerhalb der zulässigen Toleranzen, dient diese Information dem Kunden zur Bewertung der Ergebnisse seiner bisherigen Qualitätsprüfungen und zur Einleitung entsprechender Korrekturmaßnahmen.
Auf Kundenwunsch wird ein Kostenvoranschlag zur Reparatur bzw. Justage gemacht. Ist eine Reparatur von E+E nicht durchführbar, erfolgt eine Rücksendung zum Kunden oder direkt zum Hersteller.
In der Zweitkalibrierung werden die Messwerte nach der Reparatur und der Justage dokumentiert.
Es wird je ein Zertifikat für die erste und zweite Kalibrierung ausgestellt und die Messwerte bei An- und bei Auslieferung bestätigt.

Was ist Rückführbarkeit?
Der Begriff „Rückführbarkeit“ beschreibt einen Vorgang, durch den der von einem Messgerät dargestellte Messwert über einen oder mehrere Schritte mit einem nationalen Normal für die betreffende Messgröße verglichen werden kann.
Diese Schritte müssen eine ununterbrochene Kette von Kalibrierungen bilden. Dabei wird jeweils ein Messgerät mit einem Normal verglichen, dessen messtechnische Merkmale seinerseits durch einen Vergleich mit einem höherrangigen Normal ermittelt wurden.
Auf diese Weise entsteht eine Kalibrier-Hierarchie bzw. eine Hierarchie der Prüfmittel. Die Stellen, die Vergleiche innerhalb dieser Kette durchführen, müssen darüber hinaus ihre technische Kompetenz nachweisen, z.B. durch eine Akkreditierung als Kalibrierstelle.
Kalibrierungen von anderen, nicht als Kalibrierstelle akkreditierten Stellen, gelten nicht als rückführbar im Sinne der EN ISO 9001 bzw. EN ISO/IEC 17025 (auch wenn eine Zertifizierung gemäß dieser Norm vorliegt), da in diesem Fall der Nachweis der technischen Kompetenz nicht gegeben ist.
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Was bedeutet Messunsicherheit?
Die Messunsicherheit ist ein Merkmal eines akkreditierten Verfahrens. Sie beschreibt inwieweit eine Messung auf nationale Normale und letztendlich auf das internationale Einheitensystem (SI Einheiten) rückführbar ist.
Üblicherweise wird eine erweiterte Messunsicherheit angegeben, die sich aus der Standardunsicherheit durch Multiplikation mit dem Erweiterungsfaktor k=2 ergibt.
Jeder Messwert ist mit einer Messunsicherheit verbunden. In der Kalibrier-Hierarchie haben Prüfmittel der höheren Ebene eine geringere Messunsicherheit als solche der darunter liegenden Ebene.
Bei einer Akkreditierung im Sinne der EN ISO/IEC 17025 wird gefordert, die Berechnung von Messunsicherheiten nach EA-4/02 „Guide to Expression of the Uncertainty of Measurement in Calibration, GUM“ durchzuführen.